Unsere Mutter war schlecht zu uns.
Ich war 4 und Helmut war 6.
Da hat sie uns im Heim abgegeben.
Oben in Nettelstedt.
Da kann ich mich noch gut dran erinnern.
Auf dem Weg dahin haben wir eine Pause gemacht.
Ich hab mit der Frau vom Jugendamt in einem Bett gelegen.
Im Doppelbett. Und mein Bruder mit meiner Mutter.
Um etwa 4 Uhr morgens höre ich Geräusche.
Dann sehe ich, wie meine Mutter aus dem Bett steigt,
sich heimlich anzieht und abhaut.
Ohne sich von uns zu verabschieden.
Mein Bruder wacht eine Stunde später auf und merkt,
dass die Mama nicht mehr da ist.
Mutti, Mutti und hat geheult.
Ich will mit dem ganzen Scheiß nichts zu tun haben.
Weil ich das Waisenhaus erlebt habe.
Die ganzen frommen Leute.
Was die mit den Kindern gemacht haben.
Das ist ne Sauerei.
Dann hat das Nazi-Ehepaar mich für ein Jahr rausgeholt.
Die haben mich geholt, weil sie Nazis waren.
Das haben mir später die Nachbarn erzählt.
Wir sind die Nazis.
Wir sind für die deutsche Jugend da,
haben sie gesagt.
Die haben sich dann später auch einen Kopfschuss gegeben.
Mein Vater war ja im Krieg.
Und meine Mutter hat einen anderen gebumst.
Ich wusste ja gar nicht, was das war.
Hab nur gedacht, was macht denn der fremde Mann da im Bett.
Ich hab das nicht vergessen, was sie mit uns gemacht hat.
Es war Krieg.
Die anderen Kinder waren alle behütet mit ihren Müttern,
Omas und Opas im Bunker.
Und wir waren alleine.
Ich nehme an, dass sie es später auch bereut hat.
Ich sag immer. Der liebe Gott vergibt. Ich nie.
Ich war ja zweimal im Knast.
Einmal 10 Jahre und einmal 20 Monate.
Normalerweise wohnt man in dem Obdachlosenheim,
wo ich jetzt bin, nur ein paar Monate.
Aber ich wohn da ja ganz gut,
und die schmeissen mich auch nicht raus.
Mein Sohn wohnt in Hamburg.
Ich hab keinen Kontakt zu ihm.
Ich hab mir gesagt, ich lauf ihm nicht hinterher.
Ich bin ja zwei, dreimal da gewesen.
Bin auch mit ihm zum Friedhof gegangen.
Zum Grab seiner Mutter.
Ich hab dann Blumen hingestellt und hab gesagt, Inge mach´s gut.
Das war das letzte Mal.
Im Obdachlosenheim kann ich ja nichts lassen,
da hab ich nur einen kleinen Spint.
Die Türen stehen da immer alle offen.
Da kriegst du alles geklaut. Deshalb hab ich eine Lagerbox.
Einmal standen sie mit Maschinengewehren da.
Das ganze Hotel umstellt.
Am Tegernsee.
Da bin ich verurteilt worden.
Dann hab ich mich nach Werl verlegen lassen.
Das war die richtige Entscheidung.
In Werl hab ich‘s gut gehabt.
Wenn ich dran denke, wie viele Gewalttäter da waren...
Kinderficker, Frauenvergewaltiger.
Wahnsinn.
Ich bin immer höflich gewesen.
Sauber und ordentlich bin ich gewesen.
Das wussten die.
Deswegen hab ich auch den besten Job da gehabt,
in der Verwaltung.
Was ich gemacht hab war auch nicht astrein,
aber ich hab nie Gewalt angewendet.
Meine Waffe waren immer meine Beine.
Meine Gelenkigkeit. Zack war ich weg.
Mich ham sie immer die Katze genannt.
Es gab fast nichts, wo ich nicht hochgekommen bin.
Ich mag auch Katzen gerne.
Wir hatten früher auch eine Katze gehabt, die Susi.
Die ham mir meinen ganzen Schmuck weggenommen.
Die Rollex, all die Brillianten.
Die Brillianten hab ich immer aus den Ringen rausgebrochen.
Hab mir das Gold einschmelzen lassen,
und hab mir dann selbst Ringe machen lassen.
So, dass keiner mehr sagen konnte, das ist mein Ring.
Leider hat meine Frau mich sehr enttäuscht.
Sie hat ja später auch gesagt,
das war der größte Fehler ihres Lebens.
Du kannst keinem Menschen trauen.
Ich war immer mein eigener Auftraggeber.